Einen Kalb= Schlegel oder Kalbs= Keule besonder zu zurichten.

Aus: Vollständiges Nürnbergisches Kochbuch (1691), Teil 09, Nr. 094

Herkunftsbezeichnung(en): Wel(i)sch

Originalrezept:

NEhmet eine schöne frische Kalbs= Keule oder Kalbs= Schlegel / häutet / wässert / waschet und spicket ihn mit einem wohl dicken Speck; man muß aber dazu eine absonderliche lange Spick= Nadel haben / damit man den Schlegel recht durchaus spicken könne / der Speck muß auch ungefehr eines kleinen Fingers dick geschnitten / und die Hexen / oder das hintere lange Bein / davon abgehauen werden: dann saltzet und leget ihn in einen stollichten Hafen / streuet aber zuvor zu unterst am Boden ein wenig Rosmarin und Lorbeer= Blätter / giesst zwey Drittheil Wein / und ein Drittheil Wasser daran / würtzets mit allerley gantzer Gewürtz / als Pfeffer / Ingber / Cardamomen / Muscatblüh und Negelein / thut noch ein wenig Rosmarin und Lorbeer= Blätter dazu / bedecket den Hafen mit einer Stürtze / und verklebet ihn wohl mit Dohn oder Leimen / damit der Dampff bey einander bleibe; setzet den Hafen nur auf eine Kohlen oder Glut / daß er nicht genau zum Feuer komme / sondern nur von fernen gesetzet / allgemach siede: Wann man nun vermeinet / daß es genug gesotten / wird der Dohn oder Leimen zusamt dem Deckel herab / und die Keule oder der Schlegel heraus genommen / in eine Schüssel geleget / und die Brüh darüber gerichtet; man muß aber fleissig achtung geben / daß sich der Schlegel nicht anlege / und zu solchem Ende den Hafen öffters hin und herrucken. *

* Auf diese weise kan man auch einen Welschen Hanen / oder auch einen Ganßbauch besonder zurichten.

Anmerkung:

  1. Der Topfdeckel wurde hier nicht wie üblich mit Brotteig, sondern mit (Töpfer)ton oder Leim abgedichtet; es wäre interessant zu wissen, welche Art von Leim dazu verwendet wurde (Knochen- oder Fischleim?).
    Im Krünitz online-Wörterbuch (Stichwort „schmoren“) findet man folgende Anleitung: „…decke das Gefäß mit einem gut schließenden Deckel zu, und beklebe ihn rundherum mit eigens dazu geschnittenen und mit Kleister beschmierten Papierstreifen, so daß durch die Ritzen zwischen Topf und Deckel der Dampf nicht hindurch kann.“ Kleister wurde normalerweise aus (Stärke)Mehl und Wasser erzeugt; der Brei wurde langsam gekocht und quoll dadurch zu einer dicklich-klebrigen Masse auf.
    Dieser Kleister wurde vor allem von Buchbindern und Tapezierern verwendet; um Motten und Bücherwürmer fernzuhalten, wurde Knoblauch oder Essig beigefügt.
  2. „Welscher Hahn“ = Truthahn

Transkription:

Andrea Sobieszek

Zitierempfehlung:
Andrea Sobieszek (Transkription): "Einen Kalb= Schlegel oder Kalbs= Keule besonder zu zurichten.", in: Vollständiges Nürnbergisches Kochbuch (1691), Teil 09, Nr. 094,
online unter: https://www.historische-esskultur.at/rezeptforschung/?rdb_rezepte=einen-kalb-schlegel-oder-kalbs-keule-besonder-zu-zurichten (22.11.2024).

Datenbankeintrag erstellt von Andrea Sobieszek.


In folgendem Projekt erschlossen: TCS 37 (2017-2019)