Schlangen von Marzepan= Zeug / auf andere Art.

Aus: Vollständiges Nürnbergisches Kochbuch (1691), Teil 17, Nr. 099

Originalrezept:

ERstlich machet einen Teig von Eyerdottern an / oder nehmet auch etwas von einem gantzen Ey darunter / sonst wird er zu mürb; thut ein wenig Butter / schönes Mehl und etwas Zucker dazu / giesst Rosenwasser daran / und machet den Teig wohl vest / doch daß man ihn gut walchern könne: Darnach man nun die Schlangen groß oder klein haben will / kan man viel oder wenig Teig anmachen; theilet diesen Teig in zwey Stück / walchert ein jedes desselben so groß als einen langen Tisch / und zwey Hände breit / aber dabey so dinn aus / als man kan: Rühret so dann unter ein halb Pfund abgetrockneten Krafft= oder Marzepan= Zeug / klein= geschnittenes Citronats / und eingemachter Citronen= und Pomerantzen= Schelffen / zusammen einen halben Vierding / oder ein Achtel= Pfund / wie auch Zimmet ein halb Loth; Cardamomen und Muscaten= Blüh / jedes ein halb Quint / und zwar alles klein zerschnitten: Wann nun solches wohl unter einander gerühret worden / formiret von diesem Marzepan= Zeug und zwar auf dem ausgewälcherten Teig eine Schlange / oben her den Kopff; schneidets unten her etwas schmähler / so lang das Blat ist; formiret zuletzt einen Schwantz daran / schlaget nachmal das ander ausgewälcherte Blat darüber / bestreicht es zuvor mit Gummi und Rosenwasser / druckets auf beyden Seiten zu / aber nicht zu hart an den Marzepan= Teig / damit es einwendig locker bleibe / sonst springet sie auf; rädelt sie auf beyden Seiten ab / schneidet vornen am Kopff ein Maul darein / und schlingets nach belieben ineinander / in die Runden: Oder wann man selbige nicht schlingen kan / lege man sie in die Runden herum / und sodann auf ein Blech / stells in heissen Ofen / und bache sie schön gelblicht ab; hernach bestreiche mans mit einem dinnen Eiß / und laß noch einmal im Ofen abtrocknen: machet ihr ein Zünglein von Tragant= Teig ins Maul / und streichet dann beedes / das Maul und die Zungen roth an; rädelt auch ein Strichlein von Tragant= Teig / auf beyden Seiten / zweyer Messer= Rucken breit / und legets oben / an statt deß Ruckgrads / der länge nach / biß zum Schwantz hinaus; schneidet auch von erst= besagten ausgewalcherten Zeug / zwey lange Strichlein / streichet das eine roth an / leget das Weisse hier und dar durchschnitten / daß das rothe durchscheinet / darauf / und sodann der Schlangen um den Hals; setzt ihr von gedachtem Zeug eine ausgespitzelte Cron auf den Kopff / verguldet sie innen und aussen / wie auch das Ruckgrad und den Schwantz; machet ihr zwey schwartze Augen von Marzepan= Teig / so mit Gewürtz= Negelein ausgewircket worden; überstreichet nachmal diese Schlangen mit Hartz= oder Gummi= Wasser / und überstreuet sie über und über mit bunten oder vielfärbigen Confect und Bisam= Zucker / biß auf den Kopff / welcher gemeiniglich ungestreuet gelassen wird.

Anmerkung:

  • Dieses prächtige und aufwändige Schaugebäck war wohl für ein großes Bankett gedacht. und diente eher als Dekoration denn zum Verzehr.
  • Krafft- oder Marzepan-Zeug: „Krafft-“ wird im Nürnberger Kochbuch oft als Synonym für Marzipan verwendet. „Kraftbrot“ ist ein alter Ausdruck für Marzipan, dessen Ursprung und Etymologie umstritten ist; es ist jedenfalls seit dem Mittelalter in Europa nachweisbar. Ursprünglich wurde Marzipan als kräftigende Arznei aus Mandeln, Zucker und Rosenwasser in der Apotheke hergestellt; dieses medizinische Konfekt wandelte sich jedoch immer mehr zum Naschwerk für Bankette des Adels. Zucker und Mandeln waren bis ins 18. Jahrhundert teure und prestigeträchtige Produkte und scheinen in barocken Kochbüchern an vorderster Stelle der Zutaten auf.
  • Bisamzucker ist ein mit Bisam (Moschus) aromatisierter Zucker. Bisam stammt aus dem Drüsenbeutel des gazellenartigen männlichen Bisamtieres (Ostasien). Bisam wurde seit dem Mittelalter importiert und vor allem für medizinische Zwecke in Apotheken verarbeitet, kam aber auch in der Parfüm- und Konfektherstellung zur Anwendung. Er hat einen scharf-würzig-bitteren Geschmack und einen extrem durchdringenden Geruch und wurde deshalb nur in kleinsten Mengen verwendet. Da Bisam sehr begehrt und teuer war, wurde er oft gefälscht.

Transkription:

Andrea Sobieszek

Zitierempfehlung:
Andrea Sobieszek (Transkription): "Schlangen von Marzepan= Zeug / auf andere Art.", in: Vollständiges Nürnbergisches Kochbuch (1691), Teil 17, Nr. 099,
online unter: https://www.historische-esskultur.at/rezeptforschung/?rdb_rezepte=schlangen-von-marzepan-zeug-auf-andere-art (25.11.2024).

Datenbankeintrag erstellt von Andrea Sobieszek.


In folgendem Projekt erschlossen: TCS 37 (2017-2019)